01.06.08

INTERVIEW - metal-inside.de

VIELEN DANK AN DIE REDAKTION !!!

Nur wenige Bands schaffen es bis zum 10. Geburstag und noch viel weniger haben dann 5 Alben veröffentlicht. Die Kasseler MY COLD EMBRACE gehören zu dieser kleinen, feinen Gruppe, auch wenn es nie zu einem Label-Deal kam. Gitarrist Dirk ist ein vielbeschäftigter Mann, der sich nach dem Release des Jubiläums-Album „Hausgeist“ aber die Zeit nahm, um auf elektronischem Wege Fragen zum runden Band-Geburtstag, CENTINEX-Freunde und den Entstehungsprozess der neuen Scheibe zu beantworten. 10 Jahre, 5 Alben, 0 Label - ernüchternde oder gute Bilanz zum Jubiläum?

Hallo Lars, zunächst danke für dein Interesse und die Fragen! Na was für eine Frage? Natürlich eine positive Bilanz. Sollte die Frage auf das Thema „Erfolg“ abzielen, freuen wir uns sicherlich über die bisherigen künstlerischen Erfolge, die musikalische aber auch persönliche Weiterentwicklung und ganz einfach über die Tatsache, dass wir nach 10 harten, schweren, manchmal enttäuschenden aber immer wieder neu motivierenden und doch überwiegend guten Jahren noch am Ball sind. Finanzieller Erfolg hat sich nicht eingestellt, ich denke das ist einerseits ein typisch deutsches Phänomen, andererseits auch die Tatsache, dass man mit Death Metal einfach nur eine bestimmte, eher kleinere Zielgruppe anspricht. Der wohl schönste Punkt von allen ist wohl, dass wir untereinander beste Freunde und Familienersatz sind, seit 10 Jahren gemeinsam durch dick und dünn gehen und wir immer noch Spass und Freude daran haben neue brutale und melodische Musik zu schreiben, rauszubringen und die Reaktionen der Leute zu genießen.

Hast du noch Hoffnung, dass sich an der Label-Situation nochmal was ändern wird? Würde das überhaupt noch einen Unterschied für euch machen - ihr würdet ja auch ein Stück Unabhängigkeit aufgeben.

Bisherige Plattenverträge haben wir alle abgelehnt und mittlerweile kokettieren wir ganz gut mit dem Gedanken, dass das auch so bleiben sollte, damit sich die A&R´s der großen Labels ordentlich ärgern. Nein, wenn wir meinen, dass da in Zukunft ein fairer Partner auf uns wartet, der uns völlig freie Hand lässt, der unser Ansinnen und unseren Anspruch versteht und 100% unterstützt, wäre es fahrlässig zu behaupten, nie einen Vertrag zu unterzeichnen. Dennoch: Wir nehmen lieber keinen anstatt den nächstbesten Vertrag. Letztlich – Was soll noch passieren? Wir vertreiben das Ding ganz gut, viele Mailorder kaufen bei uns ein, wir haben neuerdings einen Vertrieb in den USA sowie einen weltweiten Distributor und wir promoten die neue CD intensiver und mit mehr Nachdruck als das viele Labels machen, ich denke man nimmt uns wahr und man kennt unseren Namen, über 200.000 Myspace Zugriffe kommen nicht von alleine. Einzig der Konzertsituation wäre es dienlich, denn noch immer gibt es viele Booker, die lediglich auf Labelbands fixiert sind.

"Hausgeist" war eine schwere Geburt, mit konfiszierten Aufnahmen...

Ach hör auf. Das war schon eine harte Belastungsprobe… Wechsel an der zweiten Gitarre vor den Aufnahmen, Sängerwechsel während der Aufnahmen nebst Löschung aller fertig eingesungenen Spuren und dann kurz vor dem Mix und Mastering noch die Aufnahmen aus privaten Gründen konfisziert worden. Wir kamen nicht mehr dran und aufgrund des noch laufenden Verfahrens darf ich da keine Angaben zu machen. Kurze Rede, langer Sinn: Nach zig Monaten Verzögerung konnten wir den Hausgeist endlich fertig stellen, was letztlich aber wiederum auch positiv war, da wir in der Zwischenzeit ordentlich am Booklet sowie am CD Bonus feilen konnten, immer in der Hoffnung, überhaupt die Aufnahmen zurück zu bekommen…

... und einem Sängerwechsel mitten während der Aufnahmen. Da hat's mit eurem jetzt-ex-Sänger wohl richtig geknallt?

Geknallt kann man nicht sagen. Wir haben im Laufe des Bandlebens alle schwere Belastungen und echte Schicksale zu tragen gehabt, aus beruflicher wie auch aus sehr privater Sicht. Vor den Aufnahmen war Ernie nicht mehr richtig bei der Sache, da er sich aufgrund seiner Selbstständigkeit ordentlich reinhängen musste. Leider realisierte er erst während der Aufnahmen, dass er das alles einfach nicht mehr schafft, so dass es besser war ihn auf eigenen Wunsch gleich auszutauschen, anstatt nach den fertigen Aufnahmen einen neuen Sänger seine Spuren auf der Bühne singen zu lassen. Die ersten Wochen danach waren schwierig und nicht schön, mittlerweile ist aber Gras über die Sache gewachsen und das Bandverhältnis zu Ernie ist genauso herzlich wie zuvor. Wir sind und bleiben eben eine Familie auf Lebenszeit. Auch unser Ex-Gitarrist Timo ist mit ganzem Herzen noch Teil der Familie und nimmt an unserem Geschehen teil.

Bist du mit dem Resultat dann trotzdem zufrieden?

Ein besseres Resultat hätten wir sicherlich nicht erzielen können. Unser neuer Sänger Dennis ist ein wirklicher Profi. Da er früher Bass gespielt hat, bringt er auch das nötige musikalische Verständnis mit in Sachen Rhythmik und Betonungen, so dass wir wirklich begeistert sind vom Endresultat.

Ihr habt wieder die Dienste von Mr. Kjellgren in Anspruch genommen - mittlerweile kennt der euch auch ziemlich gut, was?

Wir kennen Jonas seit 1999 und einem gemeinsamen Gig mit CENTINEX. Seitdem ist da eine gute, echte Freundschaft gewachsen und ich versuche Jonas wenigstens einmal im Jahr auf einem Konzert zu treffen und mal wieder persönlich mit ihm zu reden und zu feiern. Er weiss worauf es uns ankommt, er unterstützt uns auch nach seinen Möglichkeiten und ich finde es mehr als nur cool, wenn er mir Konzertpics aus den USA sendet auf denen er unser Shirt anhat oder wenn er im SCAR SYMMETRY-Video mit unserem Shirt zu sehen ist. Danke Metalbrother!

An Gigs steht dieses Jahr nicht mehr viel auf dem Plan, kommt da noch mehr oder lasst ihr das Jahr ruhiger angehen? Habt ihr noch Lust auf Touren oder seit ihr mit Wochenend-Gigs zufrieden?

Natürlich würden wir gerne mehr Gigs spielen, allerdings lassen wir uns auch niemals auf das allzu gängige Pay-to-play ein und verzichten dadurch auf extrem viele Gigs. Wieso kann man nicht fair sein und wenigstens den Sprit an eine Band zahlen? Warum ist man als Musiker das schwächste und billigste Glied in der Veranstaltungskette? Wer ist schon so bekloppt und zahlt 350€, um im Vorprogramm von Deicide zu spielen? Leider gibt es immer noch zu viele Bands, die genau das machen und dadurch die Szene versauen. Wem wir nicht wenigstens das Spritgeld wert sind, der brauch uns auch nicht fragen. Es ist schwer an Gigs dran zu kommen. Gigs machen kostet immer mehr Geld für PA, Gema, Veranstalterhaftpflicht, ggf. Ausländerumsatzsteuer, den Sprit der Bands, die Verpflegung etc., die Leute haben auch durch die Inflation und Arbeitslosigkeit bedingt immer weniger Kohle und das bisschen was sie haben, sparen sie leider nur für die großen Sommerfestivals, so dass im Underground und Clubbereich Deutschlandweit immer weniger passiert und sich immer weniger Leute trauen, auf fairer Basis noch was zu organisieren.
Wir haben derzeit einen komischen Status: Regional sind wir sehr bekannt und geachtet und haben ein extrem gutes Following, putzigerweise laden uns aber auch hier viele nicht ein weil sie glauben, dass wir „nach all den Erfolgen“ zu teuer sind (Quatsch!), obwohl wir doch immer nur Spritkohle, Bier und Futter wollen. Überregional spielen wir sehr gerne, jedoch fehlt uns da zum einen der Status als Labelband, was immer ein sehr gewichtiges Bookingargument ist, andererseits sind wir noch nicht groß genug, um wirklich viele Angebote zu bekommen. Derzeit sind viele Gigs im Gespräch, aber wie das immer so ist: Von 10 Gigs über die man redet findet 1 statt. Von 3 bestätigten Konzerten fallen dann doch 2 kurzfristig aus. Derzeit haben wir einige interessante Angebote an der Angel, aber ausgelastet sind wir keineswegs. Wir freuen uns über jede Steckdose die man uns für Spritkohle irgendwo auf der Welt anbietet.

Euer Drummer hat sich Ostern das Bein gebrochen, aber ohne Fremdeinwirkung. Was hat er gemacht? Ist er mittlerweile wieder halbwegs fit?

Drummer Dennis ist mit Basser Tims Kindern Schlitten gefahren und hat sich dabei schön auf die Schnauze gepackt. Also ein Unfall, der gänzlich un-Metal ist, ha ha. Er hat jetzt einige Schrauben und eine Stahlstange im Bein und ist seit Monaten in der Reha. Er sagt selbst, dass Schlagzeugspielen die beste Reha von allem ist. Glücklicherweise kann und darf er seinen Fuß mit 20kg belasten, so dass er die Doublebassdrum wie gewohnt durchknüppeln kann. Er hat natürlich noch Probleme mit der Beweglichkeit, aber für MY COLD EMBRACE gibt es da trotz schmerzvoller Humpelei keine Probleme.

Mittlerweile sind Websites und MySpace-Präsenzen Pflicht für Bands, ihr habt zusätzlich noch eine Blog-Seite gestartet. Was war der Grund dafür? Wie ist die Resonanz darauf?

Die Myspace-Seite ist unglaublich und wir haben da jeden Tag irre viel zu tun. Über 200.000 Zugriffe machen uns sehr stolz. Es ist verrückt welche tollen Rückmeldungen wir aus Brasilien, Südafrika, Russland, Indien, Thailand, vor allem aus der Türkei (!?) oder den USA bekommen haben und es macht uns stolz, wie viele Leute uns gerne mal sehen würden bzw. aufgrund der Myspace-Seite eine CD bei uns bestellen.
Der Blog ist ein schönes Tagebuch und wird ebenso aufmerksam verfolgt. Wir sind doch alte Säcke und haben mit der Band schon 10 Jahre auf dem Buckel, da wurde es auch mal Zeit für ein bisschen dauerhafte Webchronik alter vergesslicher Männer, oder? Im Lauf der Zeit vergisst man sonst doch zu viel. Die Leute lesen das sehr gerne und häufig und haben dadurch Anteil an der Band und uns.

Liest du selbst viele Blogs? Kannst du welche empfehlen?

Ich persönlich kranke am Kommunikationsoverkill der heutigen Zeit. StudiVZ, Myspace, ICQ, Email, das reicht mir alles und ist eigentlich schon viel zu viel. Wenn ich mich dann noch zu sehr in die Blogs reinarbeite, sitze ich ja nur noch vor dem Rechner. Ich mache lieber Musik oder fahre auf Undergroundgigs, da macht das Fachsimpeln auch mehr Spass als unpersönlicherweise in Web-Blogs.

In den 10 Jahren eurer Existenz hat sich die Musik-Szene sehr gewandelt - zum Guten oder zum Schlechten?

Unser Sound war von Beginn an nie wirklich greif- oder kategorisierbar, wir haben schon immer das Rezept Death Metal plus X. Das funktioniert von Beginn an und es ehrt uns, wie viele Magazine und Plattenfirmen uns deswegen einen eigenen, sehr individuellen Stil attestieren. Du wirst immer Hardcore, Thrash, Heavy, Crustcore und Black Metal Elemente in unserem Death Metal Sound finden, das kommt so aus uns heraus und ergibt sich durch unsere gemeinsame Arbeit, wir können nicht anders, stecken dadurch aber auch in keiner Schublade und müssen keinerlei Erwartungshaltungen oder so erfüllen. Wir machen einfach das was wir wollen und können und haben großen Spaß dabei, den man glaube ich hören kann. Nicht mehr und nicht weniger.

Wie lange werdet ihr MCE noch betreiben? Gab es schon Momente, an denen du die Band am liebsten geschmissen hättest?

Diese Momente macht jede Band mal durch. Aber wir sind in 10 Jahren gemeinsamer Sache so sehr aneinander gewachsen, dass wir ohne uns nicht können. Welche deiner Freunde siehst du so oft wie die Bandjungs? Keine! Wir sind zusammen ein Arsch und ein Eimer und machen so lange wie wir nur können und wollen. Wir haben gemeinsam vieles durchlebt, seien es Studienabschlüsse, Trennungen von Freundinnen/Frauen, Auslandsaufenthalte oder was auch immer. Uns bringt nichts mehr aus der Reihe. Unsere Maschinen sind gut geschmiert und wir geben nicht auf, im Underground mitzumischen, so lange man uns noch hören will und niemand schreit „wir haben genug“.

Und ein paar letzte Worte?

Tausend Dank für deinen Support sowie die spannenden, abwechslungsreichen Fragen, die nicht von der Stange waren. Danke. Ansonsten besucht uns auf www.mycoldembrace.de oder www.myspace.com/mycoldembrace, hört unsere neue CD „Hausgeist“ und ladet uns mal gegen Spritkohle auf ein Konzert ein, um gemeinsam Hölle zu machen!
Support the underground!

Keine Kommentare: