01.06.08

INTERVIEW - metalnews.de

VIELEN DANK AN DIE REDAKTION !!!


My Cold Embrace aus Kassel sind ein kleines Phänomen in der deutschen Death Metal Szene. Obwohl das Quintett zu den musikalisch eigenständigsten Combos zählt, als extrem tourfreudig gilt und mit „Katharsis“ ein absolutes Hammeralbum am Start hat, ist von einem einträglichen Plattendeal weit und breit nichts zu sehen. Höchste Zeit also, um sich einmal gründlich mit Gitarrist Dirk über „Katharsis“, den Papst und das Leben im und für den Underground auszusprechen.

Hi Dirk, erzähl unsern Lesern doch bitte kurz, wie der Welt My Cold Embrace überhaupt passieren konnte.

Moin Marcus, jau, die Geschichte von My Cold Embrace reicht bis ins Jahr 1998 zurück. Zu der Zeit hatte ich gerade ne heftige Punk Band am Laufen, als mich der Dominik, den ich als Besucher unserer Konzerte kannte, fragte, ob ich nicht mal Bock hätte, mit ihm was zu machen, er hätte da einen klasse Schlagzeuger aufgetan... Dennis bretterte mich dann bereits bei der ersten Probe völlig aus den Socken und die Punkband war schnell Geschichte, allerdings nahm ich unseren Sänger Wolf, der eigentlich wie ich auch mehr Bock auf Metal hatte, mit in die Band. Basser Tim war schnell aus dem engeren Bekanntenkreis engagiert und hoch motiviert bei der Sache. Nach ersten Gehversuchen und Ausflügen in den Black Metal Bereich machten sich recht schnell unsere Death Metal Vorlieben breit, die bis heute unseren roten Faden bilden.

Natürlich schlug während dieser Phase zunächst mal der Bandkarussell-Fluch zu:

Für Gitarrero Dominik kam vor zwei Jahren der Timo von Mind Seduction zu uns und Sänger Wolf machte vor vier Jahren Platz für den Ernie, Ex- Sänger von Shattered Trust, der wie auch Tim dicke Hardcore Roots mitbrachte. 1999 dann das erste Demo „Raggabash“, 2000 ein Filmsoundtrack sowie unsere zweite CD „The First Day“, viele Konzerte mit Bands wie Centinex, Deranged, Sould Demise, proben, proben, proben, Kontakte knüpfen, hmm.
Ja 2002 dann „Zurück Aus Hölle“, was uns ein riesiges Stück nach vorne gebracht hat, sowohl bei Labels als auch bei den Metalpostillen gut ankam, uns eine Tour mit Withering Surface und Iniquity beschert hat und nun liegt „Katharsis“ vor. Derzeit trudeln ne ganze Menge Konzertangebote ein, die gesamten Print- und Webmagazine machen mächtig guten Wind für uns, die Mailorder wie z.B. EMP oder unsere Supporter von Goformusic.de kaufen kräftig bei uns ein und wir sind nach 7 langen Jahren immer noch dabei, geben Gas wie am ersten Tag und wollen es nun auch wissen. Wir setzen alles daran, Konzerte zu geben und hart für die Band zu arbeiten. Dabei geht’s uns einzig und allein darum, weiterhin Teil des Undergrounds zu sein, mitzuspielen, Spass zu haben, auf der Bühne die Sau rauszulassen, den Metal „zu leben“.

Euer aktuelles Werk „Katharsis“ tanzt, musikalisch gesehen, auf beinahe allen Hochzeiten des Metal. Die einzige Konstante ist Ernies Gesang, der mich ziemlich an Johnny Hedlund von Unleashed erinnert. Gibt es eigentlich stilistische Grenzen bei euch?

Die große Stilvielfalt ist sicherlich eine Stärke von uns, in manchen Augen aber sicherlich auch eine mutige „Gefahr“. Bis jetzt hat jedenfalls noch keine Plattenfirma angebissen, weil man sicherlich Schwierigkeiten hätte, uns verkaufstechnisch in eine Schublade packen zu müssen. Ist uns aber relativ egal. Wir spielen all das aus, was uns am Metal Spass macht: Schnelle Ballerparts, immer wieder Death Metal, Melodien, Thrash Riffs, traditionellen Metal, Crust, Hardcore, warum auch nicht?! Erlaubt ist was Spass macht und den haben wir. Warum sollen wir mit My Cold Embrace auf ausgelatschten Wegen bleiben, wenn noch so viele unbeschrittene zu gehen sind? Vielleicht ist es ein Weg ins Leere, wir wissen nicht wo er endet, aber derzeit scheint tatsächlich Licht am Ende des Weges zu schimmern, ha ha. Man was rede ich heute geschwollenes Zeug.
Ernie wird sich sicherlich über den Vergleich mit Unleashed freuen, mögen wir und vor allem Ernie die alten Haudegen doch sehr gerne. Schließlich sind wir allesamt mit der ersten Death Metal Welle Anfang der Neunziger groß geworden und so richtig in die Sache reingerutscht. Ernie hat stark an seinem Gesang gearbeitet und hat nun eine recht große Palette von Grunzen bis Brüllen parat, die die Musik noch weiter öffnet und das ist gut so. He Johnny, können wir mal mit euch zocken?

Du sprichst das Thema Plattenfirma selbst an. Obwohl sich auf der aktuellen Scheibe kein einziger wirklicher Ausfall befindet und die Presse euch überwiegend sehr positiv gesonnen ist, steht ihr immer noch ohne Deal da, während momentan gerade im Death-Metal-Bereich ansonsten alles gesignt wird, das nicht schnell genug laufen kann.

Oh, das sehe ich gar nicht so. Ich denke, die große Signingwelle im Death Metal ist eine Weile durch bzw. völlig in den Underground abgewandert. All die geilen Death Metal Bands, die derzeit saustarke Alben vorlegen, z.B. Carnal Lust aus Frankreich, Mors Principuim Est aus Skandinavien oder Fall of Serenity etc. erscheinen nur noch auf Kleinstlabels und die größeren Plattenfirmen schlachten später die Reste aus. Die Kleinstlabels finanzieren quasi den Markteintritt, machen erste Promotion und wenn die Großen sehen, das eine Band läuft, wird sie aufgekauft und die Kuh wird nur noch gemolken, ohne große Marketingkosten zu haben, die hatten nämlich die Kleinen bereits. Uns wurde von einigen Plattenfirmen offen gesagt, „Hey ihr seid saustark, aber wir können euch nicht vermarkten, weil ihr aus Deutschland seid. Deutschland ist für den Metal ein Standortnachteil. Wenn ihr aus Amerika oder Schweden währt, hättet ihr längst einen Deal, weil Death Metal Bands aus diesen Ländern Selbstläufer sind und weniger Marketingkosten verursachen.“ Klasse, oder? Es geht auch bei den Kleinen nur noch ums Geld bzw. ums Überleben, da geht kaum noch was nach Geschmack, sondern nur nach Vermarktbarkeit. Dafür ist ein eindeutiger Stil ebenso wichtig. Eine Band wie die Apokalyptischen Reiter oder Disillusion sind da mit Sicherheit die großen, positiven Ausnahmen. Vielleicht reißt aber auch die Metalcore Welle, zu der wir nicht gehören, Schranken in den Köpfen ein. Ob mit oder ohne Deal: Wir haben Spaß an der Musik und wollen weiterhin Konzerte spielen, das ist eigentlich alles was wirklich zählt.




Textlich gesehen seid ihr offensichtlich kein Befürworter der Theorie, dass Politik nichts im Metal zu suchen hat. Ihr wettert gegen Bush, die neue Rechte und den Papst…

Absolut. Die Zähne zeigt, wer das Maul aufmacht! Es wird soviel über Monster, Schwerter und was weiß ich für eine Scheiße gesungen, das ist sooooo ausgelutscht. Wer will das noch hören? Die Realität bietet den härtesten Stoff, die bittersten Tragödien. Wir bedienen uns aus diesem unerschöpflichen Pfuhl und legen die Finger in die Wunden und sagen, was uns stinkt. Ich denke, da sind unser aller Hardcore bzw. „Punk“ Roots ganz offensichtlich. Zum Denken anregen und Veränderungen anstoßen, kann nichts Falsches sein, ist nicht gerade das ebenso rebellisch, wie es der Metal immer war und ist? Wir haben drei Stücke mit klarer Anti Bush Linie vertont. Dieser amerikanische Weltpolizist kann uns mal kreuzweise, ebenso wie die Herren aus dem rechten Lager. Die Kirche an sich ist seit Jahren überholt, überflüssig, völlig grotesk. Warum geht von denen niemand den Satan Bush an?

Tja, gute Frage, aber apropos Bush-Regierung: Im Song „Senseless Game“ geht es offensichtlich um den Irak Krieg und ihr singt in der Bridge „Shut Up USA“, habt „USA“ im Booklet aber nicht abgedruckt. Angst vor Zensur?

Musste gerade selbst mal nachschauen… Hast recht! Liegt, glaube ich, einzig daran, dass Ernie seine Texte, die er im Studio gesungen hat, beim Layouten genau so ins Booklet kopiert hat. Die Backing Vocals wie „USA!“ hat er natürlich nicht auf seinem Zettel stehen gehabt, denn die haben wir anderen ja später eingesungen. Angst vor Zensur haben wir sicherlich nicht, ha ha. Also, noch mal in aller Deutlichkeit: SHUT UP USA!

Das war deutlich. Diese Kompromisslosigkeit ist auch fernab jeder politischen Lyrik spürbar. Ihr habt beispielsweise mal gesagt, ihr gebt einen Dreck auf Konventionen und seid stolz, ein Teil des Undergrounds zu sein. Was macht den Underground deiner Meinung nach aus?

Underground ist das Gefühl, das uns alle verbindet, Spaß an Musik haben, gemeinsam abschalten, feiern, moshen, saufen, laute Musik hören, sich gegenseitig unterstützen, z.B.Gigs besorgen, CD Kritiken schreiben, auf Konzerte gehen, etc.
Vielleicht ein schönes, privates Beispiel: Ich hatte vor fünf Jahren meine Karre frisch zerlegt und wusste nicht, wie ich zum Fuck The Commerce Festival kommen sollte. Eine Bekannte sagte, sie wisse von ein paar Kumpels aus dem Ruhrpott, die hinfahren. Sie sagte denen, sie sollen mich da und dort einfach einsammeln und mitnehmen, ohne dass ich eine Telefonnummer von denen hatte oder vorher mit denen reden konnte. Alles völlig problemlos, eben Underground! Nach Konzerten bei „fremden“ Metallern pennen dürfen, Underground! Im Urlaub sein Bier spontan mit ’nem „Fremden“ im Death Metal Shirt teilen und auf einer Wellenlänge über die neuesten Demos und Cd’s labern, Underground! Geil, oder?

In der Tat. Aus der „Fremde“ zurück nach Hause: Wie beurteilst du die deutsche Extrem-Metal Szene im internationalen Vergleich?

Gut organisiert, lebhaft, interessant, kollegialer und mit mehr Spaß an der Freude - mittlerweile weitaus positiver als noch in den Neunzigern! Deutsche Bands sind international die Underdogs, ganz einfach auch, weil es nirgends sonst so viele Bands gibt wie in Deutschland. Da fällt man am wenigsten auf oder sticht aus der Masse hervor. Die Herkunft einer Band ist leider immer noch mehr als entscheidend für den Erfolg. Die Sorge des Propheten im eigenen Lande ist so alt wie sein Bart. Oder sollte ich dir hier ’ne Bandliste runterrattern? Mannomann, wo sollte ich da anfangen?! Dark Fortress, Insignium, Audio Kollaps, Necrophagist, Cock and Ball Torture, ach du liebe Zeit! Ich werde bestimmt unzählige saucoole Bands vergessen, ich höre lieber auf.

Wenden wir uns wieder My Cold Embrace zu. Ihr habt gerade eine Split Single mit Uncurbed aufgenommen. Wie unterscheidet sich das Teil vom Album?

Von unserem Album haben wir die beiden Tracks „Heldenkeller“ und „Senseless Game“ für die Single ausgekoppelt, mit der wir zum einen eine ganz andere, neue Zielgruppe erreichen, nämlich die Hardcore / Crust Fraktion der Uncurbed Fans, zum zweiten endlich dem Vinyl huldigen und andererseits durch diese Labelveröffentlichung aller Welt zu Ohren kommen.
Die Platte ist bereits einige hundert Male nach Südamerika, Malaysia, Japan, USA und weiß der Geier wohin, also vor allem ins Ausland, verkauft worden, so dass sich da neue Interessenten für unsere Mucke finden lassen und vielleicht ein paar Labels mehr von uns Notiz nehmen, so dass da kaum „Überschneidungen“ mit den regulären, vornehmlich deutschen CD-Käufern auftauchen. Davon abgesehen wurden die Tracks der Single für die Pressung nochmals nachbearbeitet, so dass ein jeder den Soundunterschied ganz deutlich hören kann. Auf Vinyl kommt die Sache sehr roh, brachial und gewaltig rüber, vor allem wenn man die Scheibe auf 33 statt 45 Umdrehungen abspielt, ha ha.

Was steht als nächstes bei euch an?

Ja, letzte Woche haben wir Fulda unsicher gemacht, danach München. Am 13. Mai Oberhausen, am 5. + 6. August das Woodstock Festival in Ronshausen, am 16.September spielen wir mit Vader und Rotting Christ in Salzgitter, am 30.September. spielen wir in der Matrix in Bochum und demnächst wird es dann eventuell noch mal Dates in Hamburg, Berlin, Fulda und einigen anderen Städten wie auch unserer Heimatstadt Kassel geben. Schaut einfach immer mal auf unserer Webseite www.mycoldembrace.de vorbei, zieht euch mal ein MP3 Snippet, schreibt uns was ins Gästebuch oder bestellt mal ne CD, you´re welcome!

Letzte Worte?

Von Herzen Dank für deine Fragen und die Unterstützung, bleibt zu hoffen sich auf ’nem Konzert ein paar gemeinsame Biere reinzuschrauben und richtig Hölle zu machen! Support the Underground!

Keine Kommentare: